Samonienen und Tollmingkehnen

 

Gutsalltag im östlichen Ostpreußen

26. November 2011 bis 11. März 2012

  

Samonienen, Hofanlage um 1925
Samonienen, Hofanlage um 1925

 

Agrarland Ostpreußen: Vor 1945 gab es dort etwa 140.000 landwirtschaftliche Betriebe - auf die Fläxche bezogen etwa halb so viel wie im deutschlandweiten Mittel. Güter und Großbetriebe bewirtschafteten immerhin 35 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche Ostpreußens - weniger als in Pommern (gut 43 %), aber deutlich mehr als im Reichsdurchschnitt (knapp 20 %).

So sehr die Provinz agrarisch geprägt war, so unterschiedlich waren Produktionsformen und regionale Besonderheiten. Als Beispiel für das östliche Ostpreußen stellen wir das Doppelgut Samonienen und Tollmingkehmen vor. Während die besten Ackerflächen der Provinz im Westen und Norden lagen, musste man sich hier mit lehmigen Böden mittlerer Qualität genügen.

Fern von größeren Städten und geeigneten Handelswegen gewann die Zucht von Warmblutpferden Trakehner Abstammung im frühen 20. Jahrhundert eine entscheidende wirtschaftliche Bedeutung für den Betrieb. Zwei Siegerpferde der Olympiade von 1936 stammten aus der Zucht in Samonienen.

Neben immerhin noch etwa 60% Ackerfläche wurde das Land natürlich als Weide, aber auch zur Gewinnung von Heu, Bauholz, Brennmaterial und Ziegeln genutzt. Bis zu Beginn des 20. Jh. versorgte sich das System Gutsbetrieb selbst.

Trotz der großen Umbrüche in Landwirtschaft, trotz Wirtschaftskrise und Zerstörungen im Ersten Weltkrieg waren die Güter von 1821 bis 1945 im Eigentum einer Familie, Kaeswurm-Zarniko-Rothe. Sie geht auf Salzburger Vorfahren zurück, die als protestantische Religionsflüchtlinge 1732 nach Ostpreußen kamen. Die letzten Eigentümer waren Karl und Liesel Rothe, geb. Stoeckel.

Die Ausstellung vermittelt einen Einblick in die Lebenswelten und den Alltag auf dem Land im östlichen Ostpreußen. Fotografien und die wenigen aus der Zeit vor 1945 geretteten und überlieferten Erbstücke veranschaulichen das Leben auf dem Doppelgut. Weitere Exponate stellen den Zusammenhang zur Landwirtschaft in Ostpreußen allgemein mit seinen langen kalten Wintern und kurzen, aber heißen Sommern im frühen 20. Jahrhundert her.

 

Der Besitz der Familie Rothe im Kreis Goldap umfasste vor 1945 die Güter Samonienen (368 ha, 1938 in Reiterhof umbenannt) und Tollmingkehmen (376 ha, nach 1938 Tollmingen). Der gesamte Betrieb lag im Norden der Rominter Heide und gehörte durchaus zu den größeren Landwirtschaften in Ostpreußen.

Samonienen und Tollmingkehmen entstanden, als der preußische Staat 1819 seine Domänen verkaufte. 1863 wurde das Gutshaus Samonienen gebaut, das allerdings bis 1871, als der Besitz durch Erbteilung geteilt wurde, ein Vorwerk von Tollmingkehmen blieb. Erst 1906 vereinigte Dr. Otto Rothe (1856-1936) beide Güter wieder; 1920 jedoch übertrug er Samonienen seinem Sohn Karl Rothe (1891-1944) und behielt Tollmingkehmen, bis er auch dieses 1936 seinem Sohn Karl übertrug. Zwei Monate vor dem Aufbruch zur Flucht starb Karl Rothe. Bereits während des Zweiten Weltkriegs und bis zum 20.10.1944 führte Liesel Rothe geb. Stoeckel (1902-1992) den Gutsbetrieb.

Neben dem Ackerbau (1932 befanden sich 458 ha unter dem Pflug) widmete sich der Doppelbetrieb Samonienen-Tollmingkehmen bevorzugt der Produktion von Rindern (Bestand 1932: 393, davon 118 Milchkühe) und Schweinen (Bestand 1932: 160 von etwa 8 bis 10 Zuchtsauen) sowie der Milchwirtschaft. Die Rinderzucht wurde nach den Regeln der Ostpreußischen Herdbuchgesellschaft betrieben. Der Gerätepark umfasste zu Beginn des Zweiten Weltkriegs zwei Lanz Bulldog-Traktoren, zwei Raupenschlepper, zwei Dreschkästen, zwei Höhenförderer, zwei Saatreinigungsanlagen u.a. und war damit nicht auf der technischen Höhe der Zeit. Aus Tradition wurden viele Arbeiten von Pferden und Ochsen verrichtet. Jedes Teilgut besaß eine eigene Schmiede und eine eigene Stellmacherwerkstatt. Bis zu Beginn des 20. Jh. konnte sich der Betrieb praktisch selbst versorgen. 

Ein bedeutender Wirtschaftszweig war die Aufzucht ostpreußischer Warmblutpferde Trakehner Abstammung. Jährlich wurden 40 bis 50 dreijährige Pferde verkauft. 1932 gehörten 152 Pferde zum Betrieb, nach 1933 waren es mehr als 200. Bereits seit Einrichtung der Landgestüte der Preußischen Gestütsverwaltung 1787 war Tollmingkehmen Deckstation des Landgestüts Insterburg, ab 1899 in Georgenburg. Bei der Olympiade 1936 errangen zwei Pferde aus der Zucht von Karl Rothe Goldmedaillen.

Auf beiden Teilgütern lebten je 20 Deputanten mit ihren Familien, unter ihnen ein Gärtner, ein Schmied und ein Obermelker. Über 200 Menschen arbeiten für die oder lebten von den beiden Betrieben.


 

 

Sonderprogramm:

 

Dienstag, 6. Dezember 2011 - 14:30 Uhr

 

Lebenswelten der ostpreußischen Güter Samonienen und Tollmingkehmen.

 

Sonderführung durch die Ausstellung im Rahmen der Reihe "Museum erleben" mit Kurator Dr. Christoph Hinkelmann.

Eintritt:  5,- Euro inkl. Kaffee, Tee und Gebäck (ohne Anmeldung)

 

 

 

Dienstag, 21. Februar 2012 - 14:30 Uhr

Blütezeiten und Krisen: Landwirtschaft in Ostelbien.

Geradezu revolutionäre technische und soziale Neuerungen in der Landwirtschaft des 19. Jahrhunderts haben wesentlich dazu beigetragen, dass heute 7 Milliarden Menschen ernährt werden können.
Ein Streifzug durch die preußischen Agrarreformen, das ostpreußische Junkertum und seine Instleute.

Sonderführung durch die Ausstellung im Rahmen der Reihe "Museum erleben" mit Museumsdirektor Dr. Joachim Mähnert.

 

Eintritt:  5,- Euro inkl. Kaffee, Tee und Gebäck (ohne Anmeldung)

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