Von Prußen...

Ordensritter an der Weichsel, Fritz Pfuhle, Öl/Lw. 1963
Ordensritter an der Weichsel, Fritz Pfuhle, Öl/Lw. 1963

Schon seit dem dritten Jahrtausend v. Chr. ist eine menschliche Besiedlung des späteren Ostpreußen nachweisbar. Ab etwa 100 v. Chr. entwickelten sich die baltischen Kulturgruppen, aus denen sich am Übergang zum Frühmittelalter der westbaltische Stamm der Prußen herausbildete. Sie wurden zu den Namensgebern Preußens.

 

Die Prußen waren für ihren Bernstein weithin bekannt. Neben dem Ton war er der bedeutendste Bodenschatz des Gebiets, was ihm später die Bezeichnung "ostpreußisches Gold" einbrachte. Durch die Bernsteinvorkommen konnte ausgeprägter Handel bis in den Mittelmeerraum geführt werden.

 

Kriegerische Auseinandersetzungen mit den von Süden und Südosten herandrängenden, christianisierten slawischen Nachbarn führten dazu, dass der polnische Herzog Konrad von Masowien 1226 den Deutschen Orden zum Kampf gegen die Prußen rief. Der Ritterorden ließ sich von Kaiser und Papst legitimieren, besetzte das Land, unterwarf und bekehrte dessen Bewohner. Die Prußen wehrten sich zwar erbittert gegen die Fremdherrschaft, blieben den besser ausgerüsteten Ordensrittern aber unterlegen. Nach ihrer Unterwerfung war ihre Zahl dezimiert und der Orden beherrschte das Land, siedelte Menschen aus dem deutschen Westen an, gründete Burgen, Dörfer und Städte. Die Prußen assimilierten sich über die Jahrhunderte mit den vielfältigen Neusiedlern. Ihre Sprache starb im 17. Jahrhundert aus. Dennoch verschwanden prußische Einflüsse nicht vollständig: Sie existierten in fortgeführten heidnischen Bräuchen, in Familien- und Ortsbezeichnungen und natürlich im Namen "Preußen" weiter.

 

... zu Preußen

Königin Luise und Napoleon I. in Tilsit 1807, Rudolf Eichstaedt, Öl/Lw., um 1895
Königin Luise und Napoleon I. in Tilsit 1807, Rudolf Eichstaedt, Öl/Lw., um 1895

Der Ordensstaat wurde im 14. Jahrhundert zu einem der mächtigsten und modernsten Mitteleuropas. Die vielen deutschen Neusiedler, die bereits um 1400 nahezu die Hälfte der Bevölkerung bildeten, modernisierten Landwirtschaft und Handwerk. Urbarmachen der Wildnis, Dreifelderwirtschaft und moderne Pflügetechnik ließen die Bevölkerungszahl wachsen. Die Hanse war ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und belebte den Austausch mit den westlichen Ländern Europas. Die Nord- und Ostgrenze des Ordenslandes, des späteren Ostpreußens, war bis 1945 die nach der zwischen Spanien und Portugal stabilste Binnengrenze Europas.

 

Aus der Ausdehnung des Herrschaftsgebietes erwuchsen Konflikte mit den Interessen des mit Litauen vereinigten Polen. Diese und ein wachsendes Selbstbewusstsein der Stände führten 1410 mit der Schlacht von Tannenberg zu einer vernichtenden Niederlage der Ordensritter gegen die polnisch-litauischen Krieger. Im 2. Thorner Frieden 1466 verlor der Ordensstaat den größten Teil seines Landes, fast die gesamte Westhälfte, an die Krone Polens. Die östliche Hälfte wurde 1525 zu einem vom polnischen König abhängigen,  weltlichen Herzogtum. Der letzte Hochmeister des Ordens, Albrecht, wurde der erste Herzog. Auf Anraten Martin Luthers vollzog er die Reformation. Unter ihm wurde das Herzogtum Preußen das weltweit erste evangelische Land. 1544 gründete Albrecht die nach ihm benannte Universität in Königsberg, die bald zu einer der bedeutendsten deutschen Universitäten wurde.

 

1569 wurden der Markgraf von Franken und der Kurfürst von Brandenburg, beides Hohenzollern, im Herzogtum Preußen mitbelehnt. Beide Häuser führten zeitweise die Regentschaft, bis 1619 der Kurfürst von Brandenburg auch Herzog von Preußen wurde. Das religiös sehr tolerante Herzogtum wurde in den Folgejahren zur neuen Heimat für viele weitere Menschen aus westdeutschen Regionen und anderen Ländern wie Böhmen, Holland, Polen und Litauen. Auch Glaubensflüchtlinge aus Frankreich (Hugenotten) und dem Salzburger Land fanden eine neue Heimat in Preußen. Der Zug der vertriebenen Salzburger 1732 bildete Grundlage vieler Geschichten und Legenden. Im Nordosten der späteren Provinz Ostpreußen besiedelten die protestantischen Salzburger das seit der Pestepidemie (1709 bis 1711) weitgehend entvölkerte Land.

 

Mit der Selbstkrönung des Kurfürsten Friedrich III. zum König Friedrich I. in Preußen begann 1701 eine neue Ära: Preußen wurde Königreich. Nun wurde allmählich aus der vom Rhein bis zur Memel verstreuten Ländermasse ein Staat, der durch Verwaltungsreformen, neue Wirtschaftsmethoden und Besiedlungsmaßnahmen große Fortschritte erlebte. In die Regierungszeit Friedrichs I. fiel jedoch auch die große Pest, der insgesamt rund 200 000 bis 245 000 Menschen allein im Gebiet des späteren Ostpreußen zum Opfer fielen.

 

Mit den polnischen Teilungen (1772, 1793 und 1795) konnte Preußen sein Herrschaftsgebiet weiter ausdehnen und gewann die 1466 im Westen verlorenen Gebiete zurück. Der Landesname "Preußen" ging allmählich auf den brandenburgisch-preußischen Gesamtstaat über. Unter Friedrich II., "dem Großen" entstanden 1773 erstmals die Provinzen "Ostpreußen" und "Westpreußen".

 

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts setzte Frankreich unter Napoleon I.  der europäischen Großmachtrolle Preußens zwischenzeitlich ein Ende. Ostpreußen selbst blieb zwar von Gebietsabtretungen verschont, war jedoch zeitweise französisch besetzt und litt unter den hohen Kriegskontributionen des Tilsiter Friedens (1807). Preußen als Ganzes hatte alle westelbischen Gebiete, nahezu 50% seines Landes, abgeben müssen. Nach der Niederlage Napoleons (1813) und der Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongress (1814/15) gehörten Ost- und Westpreußen, anders als die übrigen preußischen Provinzen, nicht zum Deutschen Bund. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war Preußen von Reformen und einer in Teilen liberalen Politik, aber auch von restaurativen Tendenzen geprägt. Von 1824 bis 1878 waren Ost- und Westpreußen wieder in einer Provinz Preußen zusammengeschlossen.

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Ostpreußen im Kaiserreich

Kaiser Wilhelm II., Ludwig Manzel, Cadiner Terrakotta, um 1908
Kaiser Wilhelm II., Ludwig Manzel, Cadiner Terrakotta, um 1908

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewann der politische Konservativismus immer mehr an Raum. Nach der Revolution von 1848 war Preußen kurzzeitig Teil des Deutschen Bundes, ab 1867 gehörte es zum Norddeutschen Bund und mit der Kaiserkrönung Wilhelms I. 1871 wurde es schließlich Teil des neu gegründeten Deutschen Reiches. Trotz voranschreitender Industrialisierung blieb die Landwirtschaft dominierender Wirtschaftszweig in Ostpreußen. Es kam zu einer Stagnation des Bevölkerungs- und Städtewachstums der Provinz im ausgehenden 19. Jahrhundert, sie verlor gegenüber den aufstrebenden Großstädten wie Berlin und den Industriegebieten in Sachsen und der Rhein-Ruhr-Region an wirtschaftlicher, aber auch kultureller Bedeutung. Viele Ostpreußen wanderten in den Westen Deutschlands oder gar nach Übersee aus.

 

Durch die nationalstaatlichen Entwicklungen in Deutschland, vor allem durch den aufkommenden Nationalismus, kam es zu Spannungen. Der teilweise noch masurisch oder litauisch sprechenden Bevölkerung wurde in Schule und Gottesdiensten die Pflege ihrer Sprachen erschwert. Auch in Ostpreußen kam es zu politischen Radikalisierungen.

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Erster Weltkrieg und Weimarer Republik

Neue Grenzen in Folge des Versailler Vertrags 1919
Neue Grenzen in Folge des Versailler Vertrags 1919

Im Ersten Weltkrieg (1914 bis 1918) war Ostpreußen das einzige deutsche Gebiet, auf dem Kampfhandlungen stattfanden. Nachdem die Provinz zeitweise bis zu zwei Dritteln von russischen Truppen besetzt gewesen war, konnten diese bereits 1915, nach der „Winterschlacht in Masuren“, wieder aus dem Gebiet verdrängt werden. Der "Sieger von Tannenberg", Generalfeldmarshall Paul von Hindenburg, wurde deshalb in Ostpreußen besonders verehrt. Vor dem Krieg geflüchtete Bewohner konnten nach Hause zurückkehren, fanden ihre Städte und Dörfer jedoch häufig nur noch zerstört vor. Der Wiederaufbau der Region dauerte bis 1923.

 

Wie das übrige Deutschland musste sich auch Ostpreußen in der Zeit der "Weimarer Republik" mit den Folgen des verlorenen Krieges, mit Inflation,  Arbeitslosigkeit und politischem Radikalismus auseinandersetzen. Was für Ostpreußen allerdings erschwerend hinzukam, waren die im Versailler Friedensvertrag von 1919 festgelegten Gebietsabtretungen an das wiedererstandene Polen, durch die es territorial nicht mehr mit dem übrigen Deutschland verbunden war. Die Provinz war nur noch per Schiff über die Ostsee oder mit der Bahn durch den so genannten "polnischen Korridor" (bis 1919 Westpreußen) erreichbar. Dies bedeutete erhebliche Zusatzbelastungen für Handel und Wirtschaft.

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Nationalsozialistische Diktatur

Durch ihr zentralistisches Organisationssystem durchdrang die nationalsozialistische Diktatur auch in Ostpreußen vollständig die soziale, wirtschaftliche und berufsständische Ordnung. Die in Berlin vorgegebenen wirtschaftlichen Ziele Autarkie und Aufrüstung verhalfen Ostpreußens Landwirtschaft und Industrie zum Aufschwung. Eine bescheidene Anhebung des Lebensstandards und eine Intensivierung der Tourismusförderung öffneten neue Märkte und führten viele Besucher nach Ostpreußen.

 

Im Zweiten Weltkrieg war Ostpreußen Aufmarschgebiet, bis zum Sommer 1944  blieb es jedoch von unmittelbaren Kampfhandlungen verschont. Das fehlgeschlagene Attentat auf Adolf Hitler im Führerhauptquartier "Wolfsschanze" bei Rastenburg lenkte dann im Juli 1944 das Augenmerk auf Ostpreußen. Bereits im Herbst 1944 überschritt die Armee der Sowjetunion erstmals die ostpreußische Grenze, konnte aber vorübergehend zurückgeschlagen werden. Im Januar 1945 begann dann die große Offensive der Roten Armee.

 

Flucht und Vertreibung

Inszenierung der Flucht aus Ostpreussen im Januar 1945 mit originalen Objekten
Inszenierung der Flucht aus Ostpreussen im Januar 1945 mit originalen Objekten

Die nationalsozialistische Gauleitung Ostpreußens zwang die Bevölkerung im Winter 1944/45 zum Durchhalten. Ihr viel zu lang aufrecht erhaltenes Treck- und Evakuierungsverbot führte zur verspäteten und panikartigen, zumeist unorganisierten Flucht der Zivilbevölkerung. In der Folge wurden viele Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Westen von sowjetischen Truppen überrollt. Zehntausende Frauen und Mädchen wurden vergewaltigt, viele von ihnen und Tausende Männer getötet. Zahllose Jugendliche, Männer und Frauen wurden in die Sowjetunion, meist nach Sibirien verschleppt.

 

Gut 500.000 der 2.5 Millionen Einwohner Ostpreußens überlebten Kampfhandlungen, Flucht, Verschleppung, Lagerinternierung, Hunger und Kälte nicht – damit erlitt Ostpreußen unter allen deutschen Ländern den größten Verlust an Menschenleben im Zweiten Weltkrieg. Die siegreiche Sowjetunion gliederte die ostpreußische Hauptstadt Königsberg und ihr Hinterland in die Russische Föderative Sowjetrepublik ein und schlug das Memelland im Norden der Provinz dem ebenfalls sowjetisch gewordenen Litauen zu. Den südlichen Teil Ostpreußens erhielt, ebenso wie das gesamte übrige Deutschland östlich von Oder und Neiße, Polen. Alle Ortsnamen wurden polonisiert bzw. lituanisiert oder, wie es im heute russischen Teil durchweg der Fall war, gegen völlig neue Namen ausgetauscht. Königsberg wurde 1946 in Kaliningrad umbenannt. Man war überall bemüht, die Erinnerung an die deutsche Geschichte zu tilgen.

 

Die verbliebene, überlebende deutsche Bevölkerung wurde bis auf sehr wenige Reste in den heute polnischen und litauischen Teilen nach Kriegsende vertrieben. Aus dem sowjetischen, heute russischen Kaliningrader Gebiet wurden bis 1948 alle verbliebenen Deutschen systematisch in die sowjetische Besatzungszone Deutschlands, der späteren DDR, ausgesiedelt. Nur einzelne Personen, die eine russische Identität angenommen hatten, blieben. Die entvölkerten Regionen wurden bereits ab dem Sommer 1945 von Polen, Litauern, Russen und den Angehörigen anderer Völker der Sowjetunion besiedelt.

 

Die knapp siebenhundertjährige deutsche Geschichte Ostpreußens fand 1945 ein geographisches Ende. Sie lebt aber in der Erinnerung und in ihren bedeutenden Beiträgen zur Kulturgeschichte fort.

 

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